MANN, Thomas [1875-1955]: Eigenhändiger Brief mit Datum und Unterschrift Pacific Palisades, 12. Jan[uar] 1948. Großoktav. 1 1/4 Seiten. Gedruckter Briefkopf.

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  • VON EPOCHALER BEDEUTSAMKEIT: DER LETZTE GROSSE ROMAN EIN "LEBENS- UND GEHEIMWERK" Inhaltsreicher, vermutlich ungedruckter Brief an den Filmregisseur und Schauspieler Wilhelm (William) Dieterle (1893-1972) über seinen im Herbst 1947 erschienenen Roman "Doktor Faustus". Die komplizierte Wirkungsgeschichte thematisiert der Autor im vorliegenden Brief. "Lieber Herr Dieterle, es war sehr lieb und gut von Ihnen, mir so zu schreiben. Ich weiss nicht, was es ist mit diesem Buch, aber nie habe ich begieriger und gespannter auf das Echo eines Werkes gelauscht, und die Stimme eines Künstlers von Ihrem Feingefühl in aesthetischen und moralischen Dingen muss mir von beruhigender Wichtigkeit sein. Tatsächlich habe ich viel zu lauschen: die lesende Schweiz ist ganz aufgewühlt, und selbst hier schon hat das Werk einen eigentümlichen Ruf. Ich habe mit Früherem manche Wirkung hervorgebracht, aber zum ersten Mal geschieht es, dass ich Tränen sehe in den Augen meiner Leser. Es darf mich kaum wundern. Mir selbst ist dies Buch nahe gegangen und hat an mir gezehrt wie kein anderes. Aber nun stellen Sie sich das auf englisch vor! Der Tag, an dem es hier so herauskommen wird, rückt unaufhaltsam näher. It will be a terrible mess. Auf Wiedersehen bald! Und grüssen Sie Ihre liebe Frau! Ihr Thomas Mann". Der vielschichtige Roman, den Thomas Mann während und nach dem 2. Weltkrieg verfasste hat die sogenannte "deutsche Tragödie" zum Thema. Anhand des Schicksals des deutschen Komponisten und Musikers Adrian Leverkühn, dessen Entwicklung und Pakt mit dem inneren Teufel, werden die kulturhistorischen und geistesgeschichtlichen Wurzeln des Nationalsozialismus aufgezeigt. Kein anderer Roman Manns ist dermaßen kontrovers und erhitzt diskutiert worden. Während die deutsche Rezeption vor allem eine politische war, las der weitaus größte Teil der außereuropäischen Rezeption den Roman nicht primär als politisches Buch, sondern als Künstlerroman wie die Schweizerin Nelly Hauser, die das Werk als Musikerroman verstand (1947 in der Schweizer Bücher-Zeitung). Die erste amerikanische Ausgabe des Romans erschien 1948 in New York und wurde von der dortigen Kritik nur mäßig aufgenommen. Am 29.10.1948 schrieb der "New York Herald Tribune" über dieses "most German book he ever wrote": "A good many who like to understand whatt they are reading, are likely to find themselves mired in ambiguity long before the work through to the despair-transcending cello-note" (Viele, die gerne verstehen wollen, was sie lesen, werden sich wahrscheinlich schon lange vor dem Ende des Werks bis zur verzweifelten Cello-Note in Unklarheiten verstrickt sehen). Aufgrund der anhaltenden Kritik am "Doktor Faustus" sah sich der Autor genötigt, 1949 den autobiographischen Roman "Die Entstehung des Dr. Faustus Roman eines Romans" zu veröffentlichen. Anhand von Tagebuchaufzeichnungen versuchte er sein "Lebens- und Geheimwerk" vor sich und der Nachwelt zu rechtfertigen. Ausführlich zur Rezeptionsgeschichte Vgl. Thomas- Mann-Handbuch S. 908-912. - Nicht geruckt in: Die Briefe Thomas Manns. Regesten und Register. Hrsg. v. Hans Bürgin und Hans-Otto Mayer. Bearb. und hrsg. unter Mitarbeit von Yvonne Schmidlin. Bd. III 1944-1950. Frankfurt a. M., S. Fischer, 1982.
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