KERNER, Justinus [1786-1862]: Eigenhändiger Brief mit Datum und Unterschrift. Weinsberg,, 14.III.1851.. Oktav. 18,5 x 10,5. 8 Seiten auf Doppelbogen auf bläulichem Papier.

Artikelnummer: 18399
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  • Leiden an Körper und Seele: Erblindung und politische Umtriebe des geliebten Sohnes Wichtiger, inhaltsreicher und persönlicher Brief, vermutlich an seinen Freund, den Obertribunalrat Gustav von Pfaff in Esslingen gerichtet. "... Wie wohl wird es dir seyn daß du nun frey von allen diesem Schuldig- und Freysprechen bist, von dem Resolviren u. Redenhalten u. Anhörung medicinischer und anderer Prodigna ... Mir aber geht es sehr übel. Mein Augenleiden an das du nie recht glauben willst, zu meiner großen Betrübniß nimmt immer mehr zu. Schreib ich einen Brief oder lese ich nur kurz etwas drehen sich mir die Augen schmerzhaft im Kopfe herum ... Ich konnte nun nicht anders - ich kam um meine völlige Entlassung ein. Denn es wäre am Ende gewissenlos wenn ich in diesem Zustande in hohen Grad von Erblindung noch Sektionen u. Visitationen machen wollte. Ich that es mit Kummer u. Thränen - aber ich mußte es, ich kann nicht mehr, ist auch meine Pension von 220f. nach 36 Dienstjahren und mein Vermögen (will ich Haus und Garten nicht verkaufen) nicht groß." Kerner litt bereits ab 1840 an einer langsam fortschreitenden Abnahme seiner Sehkraft, deren Ursache der graue Star war. Größte Sorge bereiteten ihm auch die politischen "Umtriebe" seines einzigen Sohnes: "Theobald mußte gestern von Morgens 7. Uhr biß Nachts 7. Uhr in Heilbronn dem Inquisitor Ruff herhalten. Es lag ein hoher Aktenstoß vor ihm u. Ruff fragte ihn unendlich dummes Zeug. Mir scheint aber Theobald habe ihm auch sehr dumm geantwortet u. suche durch seine Antworten den Ruhm vor ein Geschworenengericht zu kommen, erlangen zu wollen ... Ich kann in Buch mehr aufschlagen, keine Handschrift (=Akten) mehr lesen und kann für ein Schwurgericht nicht mehr gebraucht werden. Die Monate bringe ich gern eingesperrt zu dann hab ich Ruhe u. kann nur pflegen. So eine medicinische Predig[t] zu halten - das wäre doch etwas für mich. Zu jener Zeit wo die Gerichte wieder sind muß ich ohne dieß ... eine Kur gebrauchten. Wenn du mein Freund bist so sorgst du hier für mich u. nimmst es für mich nicht wie du thatest auf der spöttischen u. lächerlichen Seite auf, es könnte dich selbst reuen... Man trieb mich vom 10' biß 12' zur Rekrutenaushebung nach Besigheim, aber sie hatten die übelsten Folgen für meine Gesundheit". in der Nachschrift kommt Kerner nochmals auf das Verhör seines Sohnes Theobald zurück, der wegen revolutionären Aktivitäten zu einer Haftstrafe auf dem Hohenasperg verurteilt worden war [Nov. 1850 - April 1851]: " ... Hauff fragte den Theobald unter anderen Dingen, die doch in Wahrheit nicht in das Verhör gehören: Ob es ihm lieb gewesen wäre wenn Hecker gesiegt hätte u. er antwortete: 'Allerdings - unter gewissen Umständen.' Die Theobaldin ist äußerst besorgt u. du sollst doch schreiben ob du meinst dass Theobald nicht amnesiert werde." Theobald bereitete Justinus Kerner große Sorgen, so dass er verstärkt unter starken Depressionen litt und die körperlichen Beschwerden zunahmen. Der Sohn hatte sich von den konservativen politischen Vorstellungen seines Vaters gelöst und während der Revolutionsjahre Kontakt mit demokratischen Aufständischen in Baden aufgenommen. Er beteiligte sich an verschiedenen demokratischen Volksversammlungen. An der Volksversammlung in Heilbronn vom 18. September 1848 rief er zur "Revolutionären Tat" auf. Das Ludwigsburger Schwurgericht sprach ihn schuldig "das Volk zur gewaltsamen Abänderung der Verfassung aufgefordert zu haben" und verurteilte ihn zu einer 10-monatigen Gefängnisstrafe auf den Hohenasperg, die er am 1. November 1850 antrat". Justinus Kerner schrieb mehrere Briefe an das Württembergische Königshaus wergen der Begnadigung seines Sohnes. Der ihm freundschaftlich verbundene Wilhelm von Württemberg antwortete ihm schließlich am 22. April 1851: "Lieber Justinus Herzensfreund! Dein Sohn ist begnadigt. Jetzt soll aber auch Dein Herr Sohn endlich einmal vernünftig werden und von dem tollen Getriebe fortan abstehen". Nachdem er etwas mehr als die Hälfte seiner Haftzeit abgesessen hatte, kehrte Theobald in die ärztliche Praxis des Vaters zurück, resignierte politisch und verhielt sich auch danach weitgehend unpolitisch. - Vgl. Grüsser, O-J.: Justinus Kerner 1786-1862, S. 256f.
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